Out of Africa – Jungpleistozäne Höhlenstratigraphien und Paläoumweltverhältnisse in Nordost-Afrika
Projektleitung: Jürgen Richter, Olaf Bubenzer, Ralf Vogelsang & Karin Kindermann
Kooperationspartner: Steven Brandt (Universität Florida) & Philip van Peer (Universität Leuven)
Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (seit Juli 2009)
Um die Ausbreitungswege des anatomisch modernen Menschen zwischen 70.000 und 50.000 vor heute von Afrika nach Eurasien – oft auch als „Out of Africa II“ bezeichnet – besser verstehen zu können, ist ein detailliertes Wissen über die Paläoumweltverhältnisse sowie die entsprechenden menschlichen Verhaltensmuster und Anpassungsstrategien wichtig. Wie und warum war es den Jäger-Sammler-Gruppen möglich, sich relativ schnell an neue und sich ständig ändernde Lebensumwelten während ihrer Migration anzupassen? Sicher datierte Fundstellen dieser Zeitphase sind sowohl vom Horn von Afrika – das als Herkunftsgebiet angesehen wird – als auch aus Nordost-Afrika – der Region mit den ältesten Belegen des anatomisch modernen Menschen außerhalb seiner Ursprungsregion – selten. Detaillierte Untersuchungen, in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Geographie und Archäologie, an Höhlenstratigraphien sowie an neu entdeckten Fundplätzen im Umfeld derselben, versprechen für Äthiopien als auch für Ägypten neue Erkenntnisse für die Diskussion um die verschiedenen „Out of Africa“-Hypothesen.
Im süd-westlichen äthiopischen Hochland erbrachten archäologische Untersuchungen in Mochena Borago (Abb. 1) die bislang umfassendste und am besten datierte Stratigraphie aus der späten Ausbreitungsphase des anatomisch modernen Menschen am Horn von Afrika. Insgesamt können drei verschiedene Fundkomplexe, die mehrere menschliche Besiedlungsereignisse beinhalten, unterschieden und aufgrund von Radiokarbondaten in den Zeitraum zwischen 53.000 und 38.000 vor heute gestellt werden. Tiefer liegende Schichten wurden ebenfalls kleinflächig ausgegraben, sind bislang aber noch undatiert (Brandt et al. 2012). Darüber hinaus weisen Freilandfundstellen entlang der Ränder des äthiopischen Grabenbruchs vielversprechende Artefaktinventare der frühen Ausbreitungsphase des anatomisch modernen Menschen auf. Im Einzugsgebiet des Bilate Flusses sollen deshalb geo-archäologischen Forschungen intensiviert werden.
Wird Äthiopien in der Regel als Startpunkt angesehen, stellt Ägypten eine wichtige Durchgangsregion für den modernen Menschen auf seinem Weg in die Levante dar (vgl. Wurz & van Peer 2012). Durch die Sinai-Halbinsel verbindet es auf dem Landweg Afrika mit Eurasien. Bislang lassen die Ausbreitungswege des anatomisch modernen Menschen und seiner Nachfahren von Afrika nach Eurasien noch viele Fragen offen; zudem ist die Anzahl stratifizierter sowie zuverlässig datierter jung-pleistozäner Fundplätze in Nordost-Afrika gering.
Einer der wenigen Siedlungsplätze dieser Zeitphase in Nordost-Afrika – abgesehen von der Haua Fteah in Libyen – ist Sodmein Cave (Abb. 2), gelegen in den Bergen der ägyptischen Ostwüste. Obgleich der Felsüberhang bereits vor mehr als 30 Jahren entdeckt wurde (Prickett 1979), begannen systematische, wissenschaftliche Untersuchungen erst in den 1990er Jahren durch das Belgian Middle Egypt Prehistoric Project (BMEPP) der Universität Leuven. Seit 2010 werden diese Forschungen in Kooperation der Universitäten Köln und Leuven unter der Ägide des SFB 806 „Unser Weg nach Europa“ weitergeführt.
Mit mehr als 4 m stratifizierter Ablagerungen menschlicher Siedlungsreste umfasst diese einzigartige Höhlenstratigraphie den Zeitraum vom Mittel-Paläolithikum (oder Middle Stone Age) bis zum Neolithikum. Die untersten Schichten können dem Nubian Complex, einer regionalen Ausprägung des späten Middle Stone Age in Nordost-Afrika, zugewiesen werden (van Peer et al. 1996, Moeyersons et al. 2002). Die archäologischen Befunde und Funde belegen, dass Sodmein Cave sowohl während des Pleistozäns als auch während des Holozäns regelmäßig wiederkehrend von Menschen aufgesucht wurde. Wie erste OSL-Daten der Schicht G mit einem Mittelwert von 62.000 ± 5.000 Jahren belegen, wurde die Höhle auch während der Migrationsphase des anatomisch modernen Menschen von Afrika nach Eurasien genutzt. Somit stellt Sodmein einen der Schlüssel-Fundplätze für die Rekonstruktion des Zusammenspiels von Mensch und Umwelt im Jung-Pleistozän Nordafrikas dar.
Literatur
Brandt, S.A., Fisher, E.C., Hildebrand, E.A., Vogelsang, R., Ambrose, S.H., Lesur, J. & H. Wang (2012) Early MIS 3 occupation of Mochena Borago Rockshelter, Southwest Ethiopian Highlands: Implications for Late Pleistocene archaeology, paleoenvironments and modern human dispersals. Quaternary International 274: 38-54.
Moeyersons, J., Vermeersch, P.M. & P. van Peer (2002) Dry cave deposits and their palaeoenvironmental significance during the last 115 ka, Sodmein Cave, Red Sea Mountains, Egypt. Quaternary Science Reviews 21: 837-851.
Prickett, M. (1979) Quseir regional survey. In: Whitcomb, D.S. & J.H. Johnson (eds.), Quseir Al-Qadim 1978 preliminary report. American Research Centre in Egypt, Cairo: 257-349.
Van Peer, P., Vermeersch, P.M., Moeyersons, J. & W. van Neer (1996) Palaeolithic sequence of Sodmein Cave, Red Sea Mountains, Egypt. In: G. Pwiti & R. Soper (eds.), Papers from the 10th Congress of the Pan African Association for Prehistory and Related Studies: 149-156.
Wurz, S. & P. van Peer (2012) Out of Africa, the Nile Valley and the Northern Route. South African Archaeological Bulletin 67: 168-179.