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Archäologische Untersuchungen im äquatorialen Regenwald der Demokratischen Republik Kongo

Bisherige Arbeiten: Im Sommer 2010 fand eine Reise zur Anbahnung einer Kooperation mit dem Institut des Musées Nationaux du Congo (IMNC) in Kinshasa und zur Erkundung der Möglichkeiten neuer Geländearbeit in der Äquatorregion statt.

Aktueller Projektstatus: Fortsetzungsanträge für 2011 sind bewilligt.

Vorgesehene Arbeiten: Im August 2011 soll gemeinsam mit Els Cornelissen (Königliches Afrika-Museum in Tervuren, Belgien) eine vierzehntätige Sommerschule zur geländearchäologischen Grundausbildung kongolesischer Studierender am IMNC in Kinshasa angeboten werden. Für den September ist die Aufnahme neuer Prospektionen und Ausgrabungen in der Äquatorregion vorgesehen.

Forschungsstand und Ziele

Die archäologische Kenntnis der Äquatorregion der Demokratischen Republik Kongo beruht nahezu ausschließlich auf Ergebnissen eines von 1977 bis 1987 von Manfred K. H. Eggert dort und in angrenzenden Regionen der Republik Kongo (Brazzaville) sowie Südost-Kameruns unternommenen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Flußprospektions-Projekts (s. Literaturliste). Systematische Befahrungen der größeren Kongo-Nebenflüsse erbrachten ein umfangreiches, vor allem keramisches Fundmaterial der Eisenzeit aus Begehungen und Testgrabungen, das sich dank häufiger Auffindung in geschlossenen Grubenbefunden und einer reichen stilistischen Vielfalt räumlich und relativ-chronologisch sehr gut gliedern und mit Radiokarbondatierungen verknüpfen ließ. Für das Innere Kongobecken liegt als Gesamtergebnis eine Keramiksequenz aus 35 Stilgruppen der letzen ca. 2400 Jahre vor (Wotzka 1995), die ein Gebiet von rund 700 x 400 km Fläche abdeckt und eine detaillierte Rekonstruktion des Besiedlungsgangs durch keramikführende Bevölkerungen erlaubt (Karte 1).

Karte 1

 

Es darf als starke Hypothese gelten, daß sich darin sukzessive, flußaufwärts gerichtete Expansionen von Beginn an bantusprachiger Gruppen spiegeln. Die gleichfalls knapp in vorchristliche Zeit zurückreichenden Keramiktraditionen der westlich (Sangha-Ngoko; Likwala-aux-Herbes) sowie nordwestlich (Ubangi; Lua; Lobaye) angrenzenden Regionen sind ebenfalls dank Eggerts Forschungen bekannt: sie sind untereinander verschieden und auch gänzlich anders geartet als das Traditionengefüge des Inneren Kongobeckens. Für alle drei Räume gilt, daß die Ursprünge der jeweils ältesten Keramikgruppen – Imbonga im Inneren Kongobecken, Pikunda-Munda westlich, Batalimo-Maluba nordwestlich davon – bislang ungeklärt blieben, obwohl alle drei als offenkundig evoluierte Glieder älterer Traditionen durch Migrations- u/o Diffusionsprozesse während der letzten vorchristlichen Jahrhunderte in ihre Verbreitungsgebiete gelangt sein müssen. In der Folge markierte der Kongo, trotz aller Interaktion hinüber und herüber, gut zwei Jahrtausende lang eine noch heute scharfe Stilgrenze. Gleiches gilt für die innere Gliederung der regionalen Bantusprachen, die genealogisch in zwei große, durch den Kongo geschiedene Blöcke zerfallen (Karte 2).

Liegen somit gute Vorkenntnisse der materiellen Überreste sowie wertvolle, wenngleich vorerst noch geographisch isolierte Teile für das kulturhistorisch eminent bedeutsame 'Bantu-Puzzle' vor, so wissen wir über die letzten 2400 Jahre Kulturgeschehen im Inneren Kongobecken, abgesehen von Grundlagen der Töpfereigeschichte, des Aufsiedlungshergangs und einer langfristigen Keramik-Deponierungstradition, bislang nahezu nichts. Die künftig angestrebten neuen Geländeforschungen in dem Raum sollen den Kenntnisstand u. a. in folgenden Aspekten möglichst deutlich verbessern:

— Aufschlüsse zu Nahrungsgrundlagen und Umweltverhältnissen durch archäbotanische und -zoologische Beprobung ausgewählter Keramikdeponierungen verschiedener Zeithorizonte sowie Gewinnung eines repräsentativen Pollenprofils. Gelänge dabei beispielsweise ein Nachweis vorchristlichen Hirseanbaus im Regenwaldmilieu wie jüngst in Südkamerun (Eggert et al. 2006), so ergäbe sich damit eine völlig neue Sicht auf die früheisenzeitliche Besiedlung ganz Zentralafrikas.

— Klärung der bislang nicht direkt belegten These, daß bereits die frühesten keramikführenden Siedler Kenntnis der Eisenmetallurgie besaßen.

— Ermittlung des Ursprungs der Imbonga-Gruppe – mutmaßlich identisch mit der Herkunft der Bantu-Besiedlung des Inneren Kongobeckens – durch Prospektion der südlich an die bislang erforschten Gebiete anschließenden Regionen.

— Datierung und Charakterisierung der insbesondere an den Ufern des Mpaku- und des Tumba-Sees anzunehmenden endsteinzeitlichen, mutmaßlich wildbeuterisch geprägten Besiedlung (Preuss & Fiedler 1984; Fiedler & Preuss 1985).

Karte 2

Lexikostatistische Neugliederung der Bantu-Sprachen des Kongobeckens (Zone C nach Guthrie): Kartierung der neun genealogischen Hauptgruppen nach Ähnlichkeiten im Grundwortschatz sowie Vergleich mit dem Verbreitungsgebiet (hellrot) der Imbonga-Keramik (ca. 400–100 calBC)
Das gesamte Innere Kongobecken wird von Mongo-Dialekten beherrscht, die der Gruppe 1 (rot) angehören, im zugrundeliegenden linguistischen Datenmaterial aber nur durch wenige Wortlisten vertreten sind. Ein Hauptmuster besteht somit in einer deutlichen räumlichen Trennung in zwei große, vom Kongo geschiedene Blöcke, nämlich die Gruppen 1 (Inneres Kongobecken) und 2 (Außenzone); 'Übertretungen' der Kongo-Grenze, wie beispielsweise im Ngombe-Gebiet nördlich der Beschriftung "Imbonga", reflektieren jüngste Migrationen des späten 19. Jh. AD. Nach Wotzka & Bostoen (in Vorb.).